27.10.2025
Es ist Herbst. Auch in unseren Herzen. Dies war einmal eine meiner Lieblingsjahreszeiten. Raum, um das, was man über das Jahr erfahren hat, in Ruhe anzuschauen. In sich den Feuerplatz für den Winter vorzubereiten, damit es dort warm und trocken bleiben möge. Dankbar zu sein für Freundliches und freudig zu werden auf Kommendes. Heute stellt sich das nicht mehr ein. Wie viele Menschen, die ich noch analog-offline zu meinen Freunden zähle, bedarf es zu dieser Zeit, sich den Inneren Ort als einen Sicherheitsraum einzurichten, der einem größeren Sturm im Außen standhält, der aufkommendes Getöse dämmt, damit ruhig gesprochene Worte der Freunde dort noch empfangen werden - wenigstens die leise Stimme des eigenen Herzens vernommen werden kann. Vielleicht haben wir uns zu abhängig gemacht von diesem Sprachrohr hier in der virtuellen Welt und haben geglaubt, so einen Zugewinn an Kommunikationsgeschwindigkeit und weitreichender Gedankenverteilung zu erhalten .... und das schien ja über einige Jahre so zu sein. Mittlerweile erreichen wir wahrscheinlich wieder mehr Austausch, in dem wir uns und unseren Freunden ein stilles Cafe finden, uns dort in die Augen sehen und zu dem Gesprochenen und Gehörten auch die aussterbende Sprache der Empfindungsnuancen kosten, zu denen ein Mensch fähig ist, sie mit dem Zauber der Sprache im Gegenüber zu wecken.
Doch immer mehr sehe ich die Augen meiner Freunde trüber geworden und in ihren Stimmen schwingt auch Erschöpfung, Enttäuschung, Angst und Hoffnungslosigkeit mit. Bei dem einen mehr - bei dem anderen weniger.
Und hier, wo wir über lange Zeit dachten, diesen Austausch halten zu können wird es still und tosend laut zugleich. Viele Profilnamen und auch ein paar der Follower und Freunde, denen ich in der Tat auch schon in der Offlinewelt begegnen sind artikulieren nur noch in "DUR" in seiner fordernsten Form: Zu hell blendend, zu hart und ohne die vielen wunderbaren Nuancen anderer Modi. Sendet man Gedanken in wärmeren Moll-Farben, spielt man sie leise und mit weniger "Schlägen" pro Minute, stürzen sie die DUROPLASTEN darauf, wie hungrige Raubtiere auf grasende Geschöpfe. Nicht wenige davon mußte ich in den letzten Jahren/Monaten aus der "Freundschaftsbindung" ausladen, damit sie die friedliche Weide nicht in ein verbales Schlachtfeld verwandeln. Ihr Hunger wird fordernder und ihre Angriffslust steigt. Die Grasenden kommen mehr und mehr in den Flight or Freeze Modus und wagen es nicht mehr sich zu zeigen oder zu bewegen.
Sind sie überhaupt noch da? Ich sah einige zuletzt, als sie im Kommentarwahnsinn unter einer reissenden Meute untergingen. Allein der Anblick einer Friedenstaube macht sie rasend und es erfüllt sie nur noch der Trieb, über diese herzufallen. So verschwindet Gemeinde um Gemeinde im Feuersturm marodierender Wutsöldner, wie im 30jährigen Krieg.
Was machen wir hier - was tun wir uns an? Oder wird es uns nicht vielleicht angetan? Der Verdacht liegt nicht nur nahe - viele Insider haben ihn schon bestätigt: Etwas oder Jemand treibt uns an, wie ein Herdenhund uns dorthin treibt, wohin er oder sein Herr es wünscht. Wenn es auf einen meiner Katzenposts und anderes in der Art über hundert Likes gibt aber auf ein Friedensappell eines Künstlerkollegen nur noch 9, was können wir daraus erkennen? Ist der Rest der virtuellen Freude nicht mehr interessiert, anderer Ansicht oder stumm vor Angst? Und wenn dann dann wieder liest, dass "Nein, meine Söhne geb ich nicht" trotz der Streichung des SWRs auf Platz 12 der mitmachenden Hörer kommt, kann man dann glauben, sie sind noch da? Sie hören sich nicht mehr gegenseitig unter den Geheul der Räuber?
Oder hat nicht das, was wir einmal als Informationsmittel gewählt haben und längst in die Irre geführt. Etwas in mir denkt, diese Posts und Symbole des Friedens werden von diesem übermächtigen Algorithmus unterschlagen. Ob aus seiner Funktionsweise heraus oder aus absichtlicher Schaltung. Schickst du uns hier ein Friedenszeichen, ist es immer unwahrscheinlicher, dass es uns anderen gezeigt wird. Sex sells, Rage sells, War sells.
Und was machen wir nun? Gehen wir mit unter? Wer sind wir denn noch und wie viele? Sollen wir die Kommentarfunktion zukünftig offen lassen unter unseren Ermutigungen, liebevoll und friedlich zu bleiben, damit wir uns gegenseitig zeigen können: "Niemand von uns ist alleine!"? Täuschen wir uns selbst, wenn wir die Angriffe nicht auch anschauen, die dort erfolgen?
Oder dürfen wir uns nach unserem moralischem Empfinden wenigsten sanft gegen die Algorithmus-bedingte Flut von Angreifern wehren und sie nacheinander mit dem virtuellen Insektengänger vor die Haustür unseres geschaffenen Raumes tragen?
Was bringt uns die Kommentarfunktion, wenn der Post eh nur die erreicht, die darin ein rotes Tuch sehen, weil die Maschine hinter der virtuellen Welt gelernt hat, dass mehr "Traffic" entsteht, wenn man es genau diesen Teilnehmern zeigt?
Ich weiß es nicht - ich will euch "Freunde" nicht verlieren, weil ich glaube, wir brauchen einander. Ich werde noch einmal versuchen, die Kommentarplattform für Profilfreunde offen zu halten, vielleicht gelingt es dem ein oder anderen eine gute Idee zu hinterlassen, wie wir damit umgehen können.
Und der Fairness halber sage ich es gleich: Ich habe einen guten Insektenfänger den ich einsetze und werde nicht zögern ihn einzusetzen, falls ich diese Art Posts nicht mehr ignorieren kann. Keine Angst - er tut niemandem etwas an - er bringt die Raubtiere sicher nach draußen. Im schlimmsten Fall geht die Haustür für immer zu - aber dass ist ja dann auch gut, wenn jemand beim Anblick eines Friedenssymbols so leidet, dass nur noch Wut in seinem Blut kocht, dann tu es ihm sicher mehr als gut, wenn er sich mit meinem Profil nicht mehr konfrontiert sehen muß.
Vielleicht noch eine hilfreiche Idee: Lasst euch nicht provozieren, wenn euch die Worte eines anderen anrempeln. Und lasst uns gegenseitig daran erinnern, wenn wir lesen, wie ein Grasender von einem Angreifer oder einer Gruppe davon eingekreist wird.
Schaffen wir das?